Salz

Von Raccoon Cay segeln wir ganze 5 sm nach Nord und ankern gleich wieder, diesmal an der Westseite von Buenavista Cay.

Beide Inseln weisen Trampelpfade quer über den flachen Inselrücken auf, so wie zuvor schon Hog Cay. Und natürlich lassen wir uns die Gelegenheit nicht entgehen, auf die (bei den vorherrschenden Ostwinden) deutlich rauhere Seite hinüber zu laufen. Vereinzelt finden sich auch dort Sandstrände, verbreitet wird die Küste aber mit schroffen, scharfkantigem Korallengestein gebildet. Die See brandet dagegen an, unterspült die Klippen und deutet ganz allgemein an, welche Urgewalt das Meer ausmacht.

Unwirtlich, wie auch weite Teile des jeweiligen Inselinneren. Auch dort dominieren karge, nur mit flachem Gestrüpp bewachsene Korallenböden, auf denen sich kaum Humus bildet. Bäume und Sträucher krallen sich mit ihren Wurzeln knorrig und gewunden in Spalten und Löchern fest und versuchen, ein kleines bisschen Nahrung zu finden. Leicht ist das sicher nicht, das wenige Wasser ist zumeist stark salzhaltig.

Ganz besonders deutlich wird das in den oft zu findenden Salzseen. Wie im Beitragsbild schimmern auf vielen der Cays in der Ragged Island Chain weiße und rosarote Flächen im Inselinneren. Auf der Ostseite von Buenavista Cay finden wir einen Weg zu dem großen langgestreckten Salzsee im Süden der Insel.

Wir wandern an seinem Ufer entlang, nicht einmal die ziemlich salzvertragenden Mangroven überleben hier.

Aber selbst in einer so lebensfeindlich scheinenden Umgebung gibts Überraschungen. Ein kleiner Vogel läuft aufgeregt am Strand herum, zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Hm, das macht der doch mit Absicht?!?

Tatsächlich, am vorderen Rand des Baumstumpfes findet sich das Gelege des kleinen Regenpfeifers in einer in den salzigen Sand gescharrten und mit Steinchen und Muschelkalk „ausgepolsterten“ und gut getarnten Mulde, die aber Andrea gleich entdeckt.

Übrigens finden sich selbst oben auf den Klippen natürliche Siedepfannen, in denen sich Salz sammelt. Die Zeiten, in denen die Menschen in den wenigen kleinen Siedlungen hier (etwa auf Ragged Island) noch ihren Lebensunterhalt in Salinen bestreiten konnten sind aber lange vorbei, es lohnt sich einfach nicht mehr.

Nur noch selten versucht jemand, auf einer der Inseln der Kette Fuß zu fassen. Hier auf Buenavista Cay war das zuletzt Edward Lockhard, der ein Haus und ein paar Nebengebäude errichtete und hier einige Zeit lebte. 78jährig überstand er 2017 sogar den Hurrikan Irma hier, nach eigenem Bekunden indem er sich mit einem Seil an einen der Bäume band. Drei Tage später wurde er dehydriert gefunden und gerettet. Auch Edward ist inzwischen nicht mehr hier, sondern bei seiner Familie auf einer anderen Insel der Bahamas. Die Gebäude sind nur noch traurige Ruinen, die Geräte und Maschinen verrostet, nur der Viehstall ist noch erstaunlich intakt. Die Borken über den Laufwegen der Termiten auf den hölzernen Abgrenzungen lassen aber vermuten, dass das nicht mehr lange so bleibt. Buenavista Cay ist wieder so unbewohnt (von Menschen) wie fast alle Inseln der Jumentos bzw. Ragged Island Chain.

Nur die Cruiser finden sich regelmäßig am Stand auf der Westseite ein und üben sich in Inselromantik.

Türkis, Cyan, Aquamarin, Petrol, Blau-Grün, Seegrün, …

Was ist eigentlich die Mehrzahl (oder Meerzahl?) von Türkis? Die Wasserfarben hier in den Bahamas mit ihren oft unglaublich intensiv leuchtenden verschiedenen Nuancen lassen uns jeden Tag aus Neue staunen. Wie geht das? Sonne und Sand, Wassertiefen, verstreute Seegraswiesen im klaren Wasser, Korallen. O.k., das erklärt die Möglichkeit (oft auch Notwendigkeit) der Augapfel-Navigation. Aber die Strahlkraft der Farben und ihren Zauber erklärt es nicht. Vielleicht ist es gerade das nicht ganz greifbare, geheimnisvolle, was besonders an diesen augenschmeichelnden und fast unwirklich erscheinenden Farben fasziniert und die Reflexionen des Lichts so viel Freude bereiten lässt.

Ausnahmsweise beginnt der Tag heute mit einigen Wolken, wir kommen spät aus den Federn und trotz schon hoch stehender Sonne blitzen die Farben im Flachwasser um unseren Ankerplatz bei Double Breasted Cay nur gelegentlich auf. Das ändert sich aber, als wir uns gemeinsam mit der Amalia hinüber in die naheliegende Bucht von Johnson Cay verholt haben. Die Wolkenlücken werden immer größer und der helle Sandstrand scheint fast gleißend weiß.

Blau und Grün mischen sich mal wie verlaufende Schlieren eines Aquarells, mal grenzen sie sich mit scharfer Kante gegeneinander ab.

Und wir sind auf der Flora mittendrin.

Natürlich müssen wir hier die Welt auch unter Wasser erkunden, die Farborgie in blau und grün setzt sich auch beim Schnorcheln fort.

Eine große Blaurückenstachelmakrele begleitet einen Stachelrochen

Zum Nachmittag verholen wir ein Stückchen weiter nach Norden an die Westküste von Raccoon Cay und ankern dort in der Spanish Wells Bay. Weil es mit den vielen Inselchen ein etwas unübersichtlich wird, hier mal unser Track auf der elektronischen Seekarte. In den Bahamas sind die Rasterkarten von Explorer Charts (in der App Aqua Map) nach unserer Erfahrung präziser als die Vektorkarten des sonst von uns bevorzugten Navionics:

Nur eine Bucht weiter (mit dem Dinghy, es ist dort zu flach für Flora) findet sich dicht am Strand eine geologische Besonderheit, die wir bisher noch nicht zu Gesicht bekommen haben, die aber in den Bahamas relativ häufig ist: ein „Blue Hole“. In diesem Fall an Land nur 20 m hinter dem Strand gelegen, oft aber auch auf See. Blue Holes sind tiefe, meist kreisrund oder leicht ovale, mit Wasser gefüllte Löcher. Oft wirken sie, als hätte ein Landschaftsdesigner mit einem riesigen Bohrer ein senkrechtes Loch in das Kalk- (bzw. Korallen-)gestein gebohrt. Wie tief? Völlig unterschiedlich, das tiefste bekannte und vermessene Blue Hole schafft es auf über 300 m, das zweittiefste ist das „Deans Blue Hole“ auf Long Island hier in den Bahamas ist immerhin 202 m tief. Oft verbirgt sich in der Tiefe eine größere Höhle unter dem senkrecht abfallenden Einstieg, denn Blue Hole sind durch Auswaschung entstandene Sinklöcher in porösen Küstensaumriffen. Das Blue Hole hier auf Raccoon Cay eher flach, aber gleichwohl beeindruckend. Nur – Blau ist es nicht. Selbst bei strahlendem Sonnenschein wirkt es eher wie die grüne Pupille eines Auges. Vielleicht liegt es an Algen, möglicherweise ist auch die Tiefe einfach nicht ausreichend um beim vom hellen Grund reflektierten Sonnenschein alles außer dem blauen Licht zu absorbieren. Mystisch wirkt es trotzdem.

Zu viel blau und grün?

Es gibt ja noch einen Ausgleich 😉: