Cape Cod

Der 130 sm-Schlag hinunter von Port Clyde in Maine nach Provincetown auf Cape Cod in Massachusetts beginnt ziemlich rau, aber das war abzusehen. Einmal mehr scheint die für die Böen in der Wettervorhersage von Windy angegebene Wert quasi durchgängig vorzuherrschen und so haben wir zunächst Wind von stets über 25 kn. Bei einem scheinbaren Windeinfallswinkel von meist zwischen 60 und 90 Grad kommen wir mit der Fock und zwei Reffs im Groß gut voran, aber durch die etwa 1,5 m Welle fühlt es sich an wie eine Kopfsteinpflasterautobahn.

Am späten Nachmittag wird es etwas ruhiger, und so wird die Nachtfahrt bei fast Vollmond überwiegend angenehm. Am Ende bremst uns auch ein wenig Gegenstrom noch weiter ab, dass passt ganz gut denn so geht die Sonne noch auf bevor wir dann gegen 7.00 nach rund 20 Stunden unser Ziel erreichen.

Als wir uns Cape Cod nähern erwartet uns eine Landschaft, die sich so ganz anders als Maine präsentiert. „Dänisch“ ist die erste Schublade, die unser Gehirn für die Dünenlandschaft hinter dem Sandstrand am Leuchtturm Wood End Lighthouse aufzieht:

Aber nur eine Ecke weiter, beim Blick auf den Hafen von Provincetown, geht das „Länderrätsel“ in die nächste Runde. Grüßt da aus der Stadt nicht ein mittelalterlicher norditalienischer Prunkturm herüber?

Tatsächlich haben die Amerikaner hier 1907 bis 1910 ein Monument errichtet, das als Denkmal für die hier gelandeten „Pilgerväter“, die mit ihrer Mayflower 1620 hier im Naturhafen von Cape Cod erstmals in der „neuen Welt“ vor Anker gingen. Warum das Denkmal hierfür dem Torre del Manga in Siena nachempfunden ist, erschließt sich nicht. Aber immerhin ist es – kein Ort in den USA ohne Superlativ – mit 77 m Höhe „the tallest all-grannite structure in the United States“. Vielleicht hatte man die Baupläne auch gerade zur Hand, schließlich steht im nicht weit entfernten Boston die schon etwa 15 Jahre früher errichtete etwas kleinere Kopie des gleichen Turmes, nur aus Backstein und als Teil der zentralen Feuerwehrstation gebaut.

Wie dem auch sei, auch für uns ergibt sich ein Superlativ. Der Platz an der Boje kostet hier in Provincetown (gerne auch P´town genannt) 3 Dollar pro Fuß Schiffslänge. Macht für uns 132 Dollar pro Nacht, wenn man zwei bezahlt ist die dritte allerdings frei. Knackig teuer, aber Mittwoch soll viel Wind kommen und wir wollen uns Cape Cod auf alle Fälle intensiver ansehen, also beißen wir in den sauren Apfel. Immerhin können wir es ja durch 4 teilen 😉.

P´town ist quirlig, touristisch, sympathisch und schwer in Regenbogenfarben gehüllt. Hier einige Eindrücke aus der Stadt:

Was uns außerdem richtig gut gefällt, ist die Radtour durch die Dünenlandschaft und den Wald auf der Nordwestspitze von Cape Cod. Der Radweg ist größtenteils unabhängig von der Straße geführt und gut ausgebaut.

Auch am Strand kommen wir entlang, es sieht einladend aus, wobei, zum Baden dann vielleicht auch wieder nicht:

Bar Harbor

Von den 4.617 Inseln des Bundesstaates Maine ist “Mount Desert Island“ die mit Abstand größte. Zudem bietet sie mehrere gute Naturhäfen, darunter mit dem 9 km langen und 40 m tiefen Somes Sound den einzigen Fjord der US-Ostküste und vor allem dem durch zwei natürliche Barren und mehrere Inseln geschützten “Bar Harbor”. Für den entscheiden wir uns.

Rund um den vorletzten Jahrhundertwechsel entdeckten Amerikas Superreiche die Insel für sich, nachdem zuvor Maler den Ort populär machten (und wohl auch etwas verklärten). Die Rockefellers, Fords, Vanderbilts, Astors und Carnegies hatten Sommersitze hier. Einige davon wurden bei einem verheerenden Waldbrand 1947 zerstört. Was aber blieb, sind die “Carriage Roads”, feste Schotterwege, die für Vergnügungsfahrten mit den Kutschen durch die großen von Seen durchzogenen Waldgebiete der Insel angelegt wurden. Heute sind sie herrliche Radwander- und Reitwege, die kreuz und quer durch den Arcadia-Nationalpark führen.

Und so mieten wir uns Fahrräder und erkunden auf einer 37 km langen Tour mit viel bergauf und bergab einen Teil der Insel.

Fototapete, das kommt uns mehrfach in den Sinn:

Und nicht nur die Landschaft gefällt uns gut. Die rund 23 Grad, die wir hier im Moment tagsüber so haben, machen die durchaus anstrengende Tour gut erträglich. Neben den vielen malerischen Ausblicken sorgen Streifen-Backenhörnchen für zusätzliche Kurzweil, immer wieder flitzen sie über den Weg, bleiben dann manchmal am Rand sitzen und scheinen uns so zu beobachten wie wir sie:

Strahlend blauer Himmel und sommerlich grün, auch wenn sich ganz vereinzelt schon erste Herbstfarben zeigen, so absolut nicht ihrem Namen entsprechend wüstenartig präsentiert sich uns auf dieser Tour Mount Desert Island.

Ganz anders dagegen der Blick hinaus am nächsten Morgen: die Farben sind weg, verschluckt vom Nebel, der in dichten Schwaden herumwabert und die morgendliche Stille noch zu verstärken scheint.

Sicher an der Boje liegend ist das ein faszinierender Anblick, aber jetzt durch die dichten Felder der Lobsterpots motoren zu müssen möchte ich mir lieber nicht vorstellen. Anfangs kann ich kaum das Boot an der Nachbarmooring ausmachen, das gestern Abend noch zum Anfassen nahe schien. Aber dann setzt sich gaaaaanz langsam die Sonne immer mehr durch, brennt erste kleine Löcher in die graue Suppe, lässt manchmal schon den blauen Himmel über den vielen Booten in der Nebelbank erahnen.

Schön, dass heute die Sonne gewonnen hat (ist hier wohl nicht immer so 😉). Wir schnappen uns das Dinghy und fahren an Land, denn heute ist Farmers Market, also eine gute Chance für uns auf Wildheidelbeeren aus Maine, die wir im Supermarkt leider nicht bekommen. Die von Jill in Boothbay Harbor geschenkten Heidelbeeren haben uns verwöhnt und angefixt, seitdem sind wir auf der Suche nach den kleinen aber intensiv schmeckenden Blaubeeren. Und tatsächlich, wir müssen zwar dafür einmal quer durch den Ort aber es lohnt sich, wir finden nicht nur die Wildblaubeeren, sondern auch noch weitere lokale Köstlichkeiten wie etwa hausgemachten Ahornsirup.

Block Island

Und wieder ein anderes „Amerika“, vielmehr eine andere Facette dieses bunten Landes.

Auf dem Weg Richtung Newport lockt uns ein Naturhafen, den uns sowohl George als auch David wärmstens ans Herz gelegt haben. Block Island kann aber auch erschrecken: die Dichte der AIS-Signale in der etwa in der Mitte der Insel gelegenen Lagune des New Harbor lässt kaum Hoffnung auf einen freien Anker- oder Bojenplatz zu. Doch das täuscht. Zu Feiertagen wie etwa dem amerikanischen Unabhängigkeitstag sollen hier bis zu 2.000 Boote liegen. Jetzt sind es „nur“ etwa 500, wie uns die Jungs vom Bäckerboot erklären. Entschuldigend, denn deswegen haben sie kein Brot dabei (lohnt sich nicht), wir nehmen aber gern mit Croissants und süßen Teilchen Vorlieb.

Trotzdem sieht der Ankerplatz gut gefüllt aus, aber es eben auch noch diverse freie Bojen und auch genug Platz zum Ankern. Eine Nacht liegen wir „alleine“ hier, dann leistet uns die Escape Gesellschaft, die wir zuletzt in Sag Harbor getroffen haben. Gemeinsam machen wir zu sechst eine Radtour, Mietfahrräder gibt es unweit des Hafens. Die Insel ist eigentlich nicht sehr groß, etwa 11 km lang. Doch die haben es in sich. Wind und vor allem die hügelige Landschaft mit knackigen Steigungen verlangen der Kondition einiges ab. Zunächst schlagen wir einen Bogen in Richtung des Southeast Lighthouse an der imposanten Steilküste des Mohegan Bluff, die wir über eine laaaange Holztreppe ebenfalls erkunden um anschließend die trampelmüden Waden im Wasser zu erfrischen.

Weiter geht’s hügelauf und hügelab, vorbei an diversen kleinen und größeren Teichen und Seen (über 300 soll es auf der Insel geben), oft mit Seerosen fast flächendeckend übersät. Oft flankieren Steinmauern die Straßen und die Felder, sie würden an England erinnern wenn da nicht die verräterischen amerikanischen Häuser wären. Die Landschaft jedenfalls ist wunderschön und abwechslungsreich.

Natürlich gibt es auch hier auf dieser mit ihren langen Sandstränden im Osten sehr beliebten Urlaubsinsel viele exclusive Domizile, aber Block Island präsentiert sich trotzdem angenehm zurückgenommen, weniger mondän als zuletzt Sag Harbor in den Hamptons.

In Old Harbor im Westen haben wir fast wieder unseren Fahrradverleih erreicht, aber gemeinsam mit Annemarie und Volker wollen Wiebke und ich noch einmal zum anderen Ende der Insel radeln. Greg und Michael ziehen eine Pause im Ort vor.

Und es wird auch noch einmal anstrengend. Nach einem längeren Stück im Schutz der Dünen am Oststrand entlang geht es dann doch wieder bergauf und bergab, die Gänge wollen fleißig geschaltet werden.

Schon viermal musste er wegen der wandernden Dünen versetzt werden, ist uns dabei ein gehöriges Stück entgegen gekommen. Trotzdem: ganz bis zum Leuchtturm Block Island North Light können wir nicht fahren, etwa einen Kilometer vorher endet die Straße. Aber das Teleobjektiv und die Drohne können die restliche Strecke ganz gut überwinden 😉

Zurück am Hafen lassen wir uns eine weitere dringende Empfehlung nicht entgehen: unbedingt müssten wir einen „Mudslide“ (Schlickrutscher) im Garten des Restaurants „Oar“ mit Blick auf den Hafen probieren. Trotz des Namens schmeckt sieht das Getränk eigentlich ganz manierlich aus und schmeckt auch klasse. Kalua, Baileys und Vanillevodka mit Eis zu einem Milkshake-ähnlichen Getränk verarbeitet, nicht ganz ungefährlich.

Zurück auf die Flora. War der letzte Sonnenuntergang hier in der Ankerbucht noch so:

präsentiert sich der Abend heute ganz anders. Dunst zieht auf, erste Nebelschwaden zeigen sich. Sieht aus, als wolle die Sonne morgen mal Pause machen, Regen soll es auch geben. Wir bauen für die Nacht schon mal die Kuchenbude auf.

Deltaville

Rund 30 sm ums Eck vom East River in der Mobjack Bay, mal herrliches (wenn auch langsames) Schwachwindsegeln unter unserem blauen Gennaker, mal dann doch unter Motor.

Dann noch um zwei Flachs herum in den Piankatank River hinein, hinter der langgezogenen Halbinsel „Stove Point Neck“ nach Deltaville abbiegen, => Ententeichfeeling.

Ja, die Chesapeake Bay ist eine Bucht des eher rauhen Nordatlantik und ja, sie ist etwa 12.000 Quadratkilometer groß, RIESIG!

Aber durch ihre Verzweigungen bietet sie viele geschützte Ankerplätze. Unter anderem die Fishing Bay, hier bei Deltaville. Und die zeigt sich uns so, wie man sich einen Ankerplatz wünscht: recht gleichmäßige Tiefe, kein bisschen Ozeanschwell, gegen die vorherrschenden Windrichtungen gut geschützt. Einziger Wermutstropfen: klares Wasser geht anders (aber immerhin können wir hier etwa einen halben Meter weit ins Wasser spähen, doppelt so tief wie auf unserem letzten Ankerplatz).

Aber in dem brackigen Wasser fühlen sich neben anderen Muscheln auch Austern richtig wohl, zudem ist es ein Paradies für Krebse. Kein Wunder also, dass das „Ernten“ der Meeresfrüchte hier eine lange Tradition hat, ebenso wie der Bau der dazu notwendigen Arbeitsboote. Lange Zeit war das Zentrum des (Holz-)Bootsbaus dieser zumeist kleinen Working-Boats genau hier bei Deltaville und die maritime Prägung sorgt noch heute für eine kaum zu übertreffende die Dichte an Liegeplätzen und Häfen auf der von Creeks durchzogenen Halbinsel zwischen Piankatank River und dem viel größeren, sich fast 300 km von den Blue Ridge Mountains hierher schlängelnden Rappahannok River.

In der Marina vor der wir Ankern gibt es ein Dinghydock. Für 5 US$ können wir unsere Florecita dort anbinden. Hört sich erstmal gar nicht so günstig an. Ist es aber, denn diverse Zusatzleistungen sind enthalten. So können wir dort unseren Müll entsorgen und – damit hatten wir nicht gerechnet – sogar kostenlos Fahrräder ausleihen. Die Chance ergreifen wir und statt zu Fuß zum Supermarkt in den langgestreckten Ort zu gehen machen wir eine herrliche Fahrradtour. Sprichwörtlich durch Wald und Feld.

Wobei der Wald sich als lockere Mischung von Laub- und Nadelbäumen erweist, obwohl wir aus der Entfernung meinten, ganz überwiegend Laubbäume zu sehen und doch Nadelbäume zu riechen. Kein Wunder, wenn sich die Kiefern so tarnen:

Es riecht nach Sommer und wir erkunden auf unserer Fahrradtour einen größeren Teil der Landspitze mit ihren verschiedenen Häfen. In der Stingray Point Marina stoßen wir auf einen kompletten 1:1 Nachbau des alten Leuchtturms von 1853, der damals das ausgedehnte Flach vor dieser Halbinsel zwischen den Flüssen markierte und der sich so deutlich von den klassischen europäischen Leuchttürmen unterscheidet, Ähnliche Leuchtürme fanden – und finden – sich in der Chesapeake Bay aber noch mehrere.

Im Regatta Point Yachting Center lockt uns die mit Schaukelstühlen und sich gemächlich drehenden Ventilatoren bestückte Club-Terrasse mit Blick über den Hafen.

Was in allen Marinas auffällt sind die überdachten, manchmal Hallen, manchmal Hütten ähnelnden Garagen für Motorboote. Für uns ungewohnt, hier aber absolut üblich und auch an den Privatstegen mancher Häuser am Creek zu finden.

Am Ende landen wir aber doch noch beim Supermarkt, Milch und Küchenrollen sind an Bord ausgegangen. Regionaltypisches zeigt sich auch hier: in dem wirklich kleinen Haushatswarensortiment findet sich eingekeilt von Salatmesser und Grillzange tatsächlich der Muschelöffner zwischen Austernmesser und Hummergabeln.

Letztere haben wir dank Catalina sogar in der edlen Silberausführung an Bord und sie kommen heute auch noch zum Einsatz, leckere Snow-Crab-Legs werden unser Abend(fest)essen auf Flora: