Yacht in Transit

Ein spannender Aspekt auf Langfahrt ist die Versorgung mit Ersatzteilen. Kleinteile kaufen wir in der Regel vor Ort, also wird gleich bei Ankunft neben dem nächsten Supermarkt auch die Lage des nahe gelegenen Baumarktes oder noch besser Schiffausrüsters gecheckt. Für uns ist bei der Planung neben Google Maps vor allem Noforeignland hilfreich, weil dort über die Filtereinstellungen direkt nach Bootsausrüster (Chandler) oder zum Beispiel Reparaturbetrieben (Boat Service) gesucht werden kann.

Wenn man länger an einem Ort liegt oder sonst eine Empfangsadresse angeben kann (etwa den weltweit verteilten Standortleitern unseres Vereins Trans Ocean), kommen auch Versandhändler wie SVB aus Deutschland, Defender oder WestMarine in den USA oder Binnacle hier in Kanada in Betracht. Von letzterem haben wir zum Beispiel gerade einen neuen Geber für Logge und Lot (Messeinrichtung für Geschwindigkeit des Bootes durchs Wasser und Wassertiefe) geliefert bekommen.

Wird vor Ort gekauft, ist natürlich die jeweilige Mehrwertsteuer zu bezahlen. Komplizierter – aber unter Umständen auch günstiger – wird es bei Bestellungen aus dem Ausland.

Der Hintergrund ist ein simples Prinzip: soll die Ware nur durch das Land hindurch transportiert werden, aber nicht dort verbleiben, wird in der Regel weder Zoll noch Mehrwertsteuer erhoben. Klar, denn sonst müsste man ja je nach Transportstrecke in diversen Ländern Abgaben bezahlen. Für den deutschen Zolltransit heißt der Fachbegriff “Durchfuhr durch Deutschland”. Unsere neue Fock z.B. wurde bei Rolly Tasker in Thailand gefertigt und über Hongkong 🇨🇳 und Cincinnati 🇺🇸 nach Vancouver 🇨🇦 geschickt. Jetzt würde grundsätzlich kanadische Umsatzsteuer und Zoll anfallen. Genau so eine Rechnung bekommen wir auch: 967 Ca$ VAT und 842 Ca$ Import Tax sollen wir über den Transporteur DHL zahlen, dazu noch ein paar kleinere Gebühren, zusammen 1.867 Ca$, also über 1.200 Euro.

Nur: das Segel soll ja nicht in Kanada bleiben oder hier weiterverkauft werden, sondern auf unserer Flora genutzt und dadurch mit ihr demnächst wieder aus Kanada ausreisen, Stichwort: Yacht in Transit. Genau so hat es Rolly Tasker deklariert. Eine Email an DHL führt zur Standard-Antwort-Email, man möge in Zollsachen eine bestimmte Servicetelefonummer anrufen. Der Anruf bei DHL landet in der Warteschleife, die die Bearbeitung durch “an international Expert”verspricht. Als die Expertin nach einer guten halben Stunde rangeht, findet sie zunächst die Trackingnummer nicht im System, im dritten Versuch klappt es dann aber. Zu “Yacht in Transit” kann sie nichts sagen, da müsse ich eine Email schicken. Moment, das habe ich doch schon gemacht. Ja, aber diese müsse an eine Expertenadresse, auch bei DHL, Weiterleiten geht nicht. Na gut, wir fügen auch schon mal eine Kopie der Bootspapiere bei.

Die Email an die Expertenadresse bleibt eine gute Woche unbeantwortet (ist aber auch Ostern). Dafür kommt eine Mahnung hinsichtlich der 1.867 Ca$. Wir haben ein bisschen Angst, DHL könnte das Segel zurück nach Thailand schicken, also senden wir eine weitere Dinglichkeitsmail an DHL, diesmal mit “Urgent” im Betreff. Sofort kommt eine automatisierte Antwort, ein Experte werde sich innerhalb 24 Stunden melden. Als nach zweieinhalb Tagen noch nichts da ist, schicken wir eine weitere Dringlichkeitsmail. Wieder mit automatischer (und gleicher) Antwort, aber dieses Mal folgt am nächsten Tag ein Anruf von DHL, der auf unserer Mailbox landet und schon mitten in der Trackingnummer abbricht. Rückruf: diese Nummer ist nicht in Service. Grr. Also schreiben wir eine Email mit dem Hinweis, das die Mailboxnachricht unvollständig ist. Am folgenden Tag dann ein weiterer Anruf von DHL Brokerage Kanada, allerdings nicht bei uns, sondern bei unserer Lieferadresse, unserem Freund Wulf: Yacht in Transit wickelt DHL Kanada nicht ab, wir müssen einen externen Broker beauftragen oder uns selbst zum Zoll begeben. Immerhin, auf Nachfrage schicken sie uns die für den Zoll benötigten Papiere.

Mit denen – zweimal ausgedruckt – machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg nach Richmond bei Vancouver auf dem Festland. Also 2 Stunden Autofahrt nach Nanaimo, dann 2 Stunden Fähre und nochmal eine halbe Stund Auto. Nahe des Flughafens im Zollgebäude dann ein kurzes Interview mit dem Officer: Wofür ist das Segel? Ach, für Euer Boot. Bootspapiere vorlegen, er kopiert sie. Wie lange bleibt ihr noch in Kanada? Ja dann, Zack, Stempel, Segel kann bei DHL abgeholt werden. Deren Lager ist fast nebenan und nach kurzer Wartezeit kriegen wir das Segel in den Kofferraum gelegt. “You are all set.” Fertig, keine Gebühren.

Wo wir schon mal hier sind, gleich noch schnell zum Ikea in Richmond für ein paar Kleinigkeiten und dann schnell zur Fähre.

Haben sich die Hartnäckigkeit, 5 Stunden Autofahrt sowie 4 Stunden Fährfahrt (plus der dazu gehörenden Wartezeiten) doch gelohnt. Und irgendwie schön war’s auch.

4 Gedanken zu „Yacht in Transit

  1. … und in welchem Land werden dann die Abgaben erhoben 😎💸? – oder ist „Yacht in Transit“ ein Steuersparmodell (Frage für einen Freund). Euch alles Gute und möge der bürokratische Wahn Euer einziges Hindernis bleiben. Alles Liebe aus Hamburg. Frank

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  2. Traurig, aber leider wahr. Ist uns fast jedes Mal passiert, dass die Forwarders (DHL, FedEx, UPS, usw) versuchen, Profit daraus zu schlagen. Der Begriff „ship in transit“ ist im Marine Business sehr wohl bekannt, aber beim Kleinkunden kann man es ja mal versuchen. Gut habt ihr nicht nachgegeben!

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  3. Immer wieder spannend, was Ihr alles erlebt. Und warum einfach, wenn auch kompliziert. Das war ja eigentlich klar. Und irre, was da immer so an Kosten auf Euch zukommt. Dagegen ist unser Hobby ja Kindergarten 🤣

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  4. Ich denke, es ist uns nicht ein einziges Mal passiert, dass ein forwarder versucht hat, Vorteile aus dem Vorgang zu ziehen.
    Wenn Export-/Importsteuern anstehen, hat das mit dem forwarding agent nix zu tun oder mit dem carrier, höchstens ist der Umgang damit je nach carrier unterschiedlich umständlich.
    Was den Versand an sich betrifft, haben wir eher einen Kurierdienst vorgezogen. Was Versender in Deutschland gern mal verwechseln: DHL Kurier ist nicht DHL Paket, denn Letzteres geht im Zielland in den jeweiligen nationalen Postdienst über; das kann dann schon mal etwas länger dauern. Brasilien… Südafrika…).
    Sehr gut war UPS in den USA: nicht zuletzt deren Expertise im Umgang mit „Yacht in transit“ hat unsere Turbolieferung so „turbomäßig“ gemacht. Dagegen ist in oder nach Trinidad wieder FedEx besonders empfehlenswert.

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