Landurlaub

Seit fast genau zwölf Monaten haben wir jede Nacht auf dem Boot verbracht. Mal mehr, mal weniger schaukelnd. Und jetzt – machen wir das erste Mal eine „Pause“ vom Bootsleben. Nicht, weil wir eine Abwechslung oder Unterbrechung brauchen, sondern weil wir uns sehr auf unsere Freunde in Washington D.C. freuen. Wir haben aber angesichts der unsicheren Flugsituation nach Europa (und vor allem zurück) beschlossen, entgegen unserer ursprünglichen Planung nicht schon zum 01.07. aus dem Wasser zu gehen sondern doch die Segelsaison für uns noch weiter zu verlängern, vielleicht sogar doch noch weiter die US-Ostküste hoch zu segeln. Als Konsequenz ziehen wir schon mal ein erstes Treffen mit unseren Freunden Greg und Michael vor, legen Flora in Hampton in eine Marina, mieten ein Auto und fahren nach Washington D.C.

Es ist gut getimt, auf der Fahrt durch die überraschend grüne Landschaft haben wir ziemlich regnerisches Wetter, sogar einige echte Wolkenbrüche, in Washington dagegen erstmal wieder richtig schönes Wetter.

Bei Greg und Michael erwartet uns ein kleines Weihnachten zu Sommerbeginn: jede Menge Päckchen dürfen ausgepackt werden. Wir durften die Adresse der beiden als Bestelladresse nutzen und haben von dieser Gelegenheit reichlich Gebrauch gemacht. Ersatzteile für Flora finden sich ebenso wie einige Elektronik- und Fotoartikel, die hier in den USA einfach viel billiger sind. Darunter auch die dringend benötigten neuen Akkus für unsere MavicAir-Drohne, die alten waren eigentlich um einiges über den Status „vertretbar nutzbar“ hinaus (aber bei Hogsty Reef musste ich sie einfach noch einmal einsetzen).

Wir werden in vielerlei Hinsicht verwöhnt: zunächst einmal (und immer wieder) kulinarisch, aber auch mit tollen Ausflügen. In die Umgebung, zu den Great Falls, wo der in Washington so ruhig, breit und träge dahin fließende Potomac River ein ganz anderes, wildes und urspüngliches Gesicht zeigt.

Der C&O-Canal Towpath (Chesapeake-Ohio Treidelpfad) führt an den Stromschnellen des Potomac vorbei, auf dem rund 300 km langen Kanal mit seinen 74 Schleusen wurde zwischen 1834 und 1926 vor allem Kohle aus West Virginia nach Washington gebracht und der begleitende Leinpfad ist heute zum Rad- und Wanderweg ausgebaut. Die Schleusen sind derzeit außer Betrieb, aber eine Teilstrecke wird derzeit renoviert, einige neue Schleusentore sind schon zu sehen. Wir machen einen wunderschönen Spaziergang.

Wie schon auf der Herfahrt sind wir überwältigt von dem vielen frischen Grün. Das ist besonders beeindruckend, wenn man sich die Zahlen der weiter schnell wachsenden Metropolregion Washington mit über sechs Millionen Einwohnern vor Augen führt. Aber über waldgesäumte Straßen fahren wir bis hinein nach Georgetown in Washington D.C.

Der Plan, hinunter ans Wasser zu fahren und sich dort das neue Viertel an der South-West-Waterfront anzusehen erweist sich als nicht ganz einfach umzusetzen. Überall weiträumig um das weiße Haus herum sind die Straßen mit Militärfahrzeugen abgeriegelt.

Die starken Proteste nach dem Tod von George Floyd zeigen sich aber nicht nur darin, sondern auch in vielen mit Holzverschalungen versehenen Schaufenstern in großen Teilen der Innenstadt und dem omnipräsenten Motto „BLACK LIFES MATTER“.

Am Kapitol vorbei gelangen wir am Ende aber dann doch hinunter zum Flussufer. Das moderne Viertel in der früheren No-Go-Area hat eine schöne Promenade vor den neuen Gebäuden am Anacostia River (der kurz darauf in den Potomac mündet) und mehrere weit in den Fluss hinausgebaute Flanierbrücken. Bis hinüber zum alten, denkmalgeschützten Fischmarkt ziehen sich die modernen Fassaden.

Auf dem Fischmarkt waren wir vor ein paar Jahren schon einmal, im Winter, gleichwohl war es rappelvoll. Heute sieht er ganz anders aus, Absperrungen dominieren das Bild, die Verkaufstresen scheinen fast leer. Doch das Bild trügt: ein ganzes Stück die Straße rauf zieht sich eine lange Schlange von Wartenden, die eben nur einzeln oder stoßweise hinunter auf den Fischmarkt gelassen werden. Corona zeigt sich doch nicht nur in den Masken und geschlossenen Geschäften.

Und so ist nicht ganz klar, worauf sich der hoffnungsvoll zukunftsgewandte Spruch der Leuchtreklame vorrangig bezieht, es bieten sich verschiedene Interpretationen an.

2 Gedanken zu „Landurlaub

  1. Moin Ralf, diesen Beitrag hast du zwar per E-Mail geschickt. Auf der Website ist er aber nicht veröffentlicht. Weiterhin alles erdenklich Gute wünsche ich euch. Uwe

    Nordyacht Uwe Giese 040 640 46 65 0172 452 43 98

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  2. Moin Uwe,
    da kommt wieder der DAU (dümmster anzunehmender User) in mir durch. Ich habe den Blog erstmals auf dem Laptop gemacht, dann mit dem iPad (nach Veröffentlichung) ergänzt und … Zack… war er in den Entwürfen. Danke für den Hinweis, ist korrigiert und sollte jetzt auch auf der Website sein.
    Liebe Grüße

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