Aberglaube an Bord von Segelbooten

Do or don’t? Als Segler wird man immer wieder dem Aberglauben an Bord begegnen.

Das Beiboot eines französischen Seglerpaares kommt am Ankerplatz auf die Flora zu, die beiden grüßen schon von weitem freundlich. Dann sehen sie unsere Bananenstaude am Achterstag, sie deutet sichtlich erschreckt darauf, das Dinghy dreht ab und braust davon. Schnell weg von uns, diesen Banausen, die offenbar keine Ahnung von den simpelsten Gepflogenheiten der Seefahrt haben.

Den Namen eines Bootes ändern? Auf keinen Fall. Oder wenn überhaupt, dann nur mit spezieller Zeremonie, um Poseidon und die anderen die Götter der See zu besänftigen.

Natürlich darf man unter keinen Umständen das Schiff mit dem linken Fuß zuerst betreten.

Der Start in die Saison oder zu einer Reise: erstmal ein Schluck aus der Flasche über Bord gekippt „für Rasmus“. Und der Start ist selbstverständlich nicht an einem Freitag, erst Recht nicht, wenn der auf einen dreizehnten fällt. In der christlichen Seefahrt außerdem nicht am ersten Montag im April, denn da hat Kain seinen Bruder Abel erschlagen!

Haare oder Nägel dürfen an Bord nicht geschnitten werden, das würde Neptun verärgern, weil es ein Opfer an die Unterweltgöttin Proserpina (die römische Entsprechung der griechischen Persephone) sein könnte.

Die Taschen des Seglers (oder der Seesack) dürfen nicht schwarz sein.

Eine Münze unter den Mast für allzeit gute Fahrt.

Kein Wind: leicht am Mast kratzen, dann setzt die Brise wieder ein. Um ganz sicher zu gehen, muss das eine Jungfrau erledigen. Obwohl: …

… bringen Frauen an Bord Unglück? Die weitaus meisten Fahrtenseglercrews sind Paare und so hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass dies finsterster, längst überkommener Aberglaube und vielmehr das Gegenteil der Fall ist.

Allerdings: auf dem Boot zu pfeifen? Da fühlt sich Windgott Aeolus herausgefordert und schickt Sturm.

Blumen an Bord gehen ebenfalls nicht, nicht mal einige Kräuter im Blumentopf. Blumen erinnern an Beerdigungen.

Und unsere Franzosen? Wären wahrscheinlich noch schneller geflüchtet, wenn wir auf dem Boot das Wort Hase (oder in ihrer Landessprache „Lapin“) benutzt hätten, unter gallischen Seglern quasi die Todsünde schlechthin. Auch ein Pferd zu erwähnen wäre übel. Aber an die Hasen kommen nur Bananen an Bord in ihrer Verwerflichkeit nahe an heran.

Woher kommt eigentlich diese Ablehnung von Bananen?

Einige Gedanken dazu:

In den Tagen der Frachtsegler und auch noch auf Motorfrachtern mit unzureichender Kühlmöglichkeit gehörten Bananen zu den am schnellsten verderblichen Waren. Entsprechend risikoreich mussten die Kapitäne unterwegs sein, selbst bei Schlechtwetter grenzwertig viele Segel stehen lassen, gefährliche aber kurze Routen wählen. Und wenn‘s mal schief ging, schwammen zwischen den Wrackteilen die vermaledeiten Bananen, während Mann und Maus untergegangen waren.

Bananen bieten zudem Verstecke für ungebetene Gäste. Im Großen Schlangen und Giftspinnen, im Kleinen immerhin noch Insekten und andere Ungeziefer.

Außerdem gasen Bananen bei ihrem Reifeprozess viel Ethylen aus. Das tun allerdings zum Beispiel auch Äpfel, Avocados oder Kiwis. Ethylen sorgt dafür, dass in der Nähe gelagertes anderes Obst und Gemüse schneller nachreift und verdirbt.

Und letztlich: der Geruch (und Geschmack) von überreifen Bananen fördert die Symptome der Seekrankheit.

Wir begegnen den drei letztgenannten Erklärungsansätzen, indem wir Bananen (wie auch anderes Obst) vor dem Anbordbringen ausgiebig in Salzwasser baden und anschließend mit Frischwasser abspülen. Bananenstauden lassen wir tatsächlich an den Davits mindestens eine halbe Stunde im Salzwasser baden. Danach hängen wir die Bananenstaude ans Achterstag draußen am Schiffsheck. Das verhindert die vorzeitige Reifung der übrigen Lebensmittel und schont auch die empfindliche Nase.

Einen Nachteil hat es allerdings auch: mit zunehmender Reife werden die Bananen am Heck auch für andere attraktiv. In der Karibik konnten wir schon Fledermäuse beobachten, die sich daran gütlich taten. Hier in Französisch Polynesien sind es Vögel. Genauer: mehrere Rotsteißbülbül.

Die picken allerdings nur an einer schon aufgesprungenen Banane herum.

Also schnell die restlichen verarbeiten (ein Teil auch in den Kühlschrank für die Smoothies morgen). Und die ohnehin aufgesprungene und angepickte dann wieder ans Achterstag, um die hübschen buntspechtgroßen Bülbüls bei ihrem Frühstück zu beobachten:

Wir sind ja zum Glück nicht abergläubisch, oder?

Bisher jedenfalls haben die Bananen an Bord (Bootsname endet auf „A“!) scheinbar keinen Fluch auf die Flora gelegt, nicht einmal auf unser Angelglück.

Dreimal auf Holz geklopft!