Wir schaffen es, dem schönen San Francisco auf Wiedersehen zu sagen. Die lauten Nebelhörner der Golden Gate Bridge geben uns ein Abschiedskonzert, aber außerhalb der Bucht verzieht sich die undurchsichtige Suppe. Wir können das Radar wieder auf Stand By schalten und haben eine schönen Segeltag. Auch noch den Großteil der Nacht hindurch bleibt uns der achterliche Wind erhalten, erst um 5 Uhr rollen wir die Segel ein und starten den Motor. Da ist es schon gar nicht mehr weit bis zum Ankerplatz vor Santa Cruz.
Allerdings: der Kettenzähler unserer Ankerwinsch streikt. Er hat schon beim Aufholen in der Horseshoe Bay nicht angezeigt und sich auf der Strecke leider nicht selbst repariert. Ein wenig Recherche ergibt, dass in der ausgetauschten Kettennuss ein Magnet enthalten war, mit dem der Zähler arbeitet. Wir untersuchen die alte Kettennuss, finden den Magneten, aber der lässt sich nicht ausbauen. Egal, um die Länge der ausgebrachten Ankerkette einigermaßen abschätzbar zu machen, müssen wir die Kette im Abstand von 10 Metern markieren. Das wäre auch bei funktionierendem Kettenzähler ein gutes Backup. Am zweiten Tag gehen wir daher in den Hafen von Santa Cruz, tanken, und ziehen dann die Ankerkette auf den Steg.
Hm, zwei nicht so schöne Überraschungen warten.

Zum einen rauscht die Kette komplett aus. Das dürfte eigentlich nicht passieren, denn das Ende (the bitter end) der Kette ist mit einem Stück Leine im Ankerkasten befestigt. (Leine deswegen, damit man sie im Notfall einfacher kappen kann). Nur: der Edelstahlschäkel am Ende ist einfach durchgerostet. Hätten wir bei großer Wassertiefe versehentlich die Kette ganz ausgebracht, hätten wir jetzt Anker und Kette verloren.
😖
Mit etwas Überlegung ist die Ursache schnell klar. Im Ankerkasten steht oft ein Rest Salzwasser und der heizt sich auf. Normaler V4A-Edelstahl bildet in über 25 Grad warmem Salzwasser leicht Lochfraß, rostet also von innen her weg. Das ist ja auch der Grund, warum wir eine Cromox-Ankerkette haben.
Direkt anknoten möchten wir die Leine aber auch nicht, dafür ist der einlaminierte Beschlag im Ankerkasten zu scharfkantig. Bleibt nur, einen verzinkten Schäkel zu wählen oder den Schäkel öfter zu tauschen.

Die zweite unangenehme Überraschung ist das Aussehen des selten benutzten letzten Teils unserer 100 Meter Ankerkette. Zum Glück ist es kein Rost, sondern nur festsitzender brauner Algenschleim, aber das erfordert doch eine größere Aktion mit der Handbürste und viel Süßwasser.



Sehr nett dagegen: in Santa Cruz treffen wir Andreas, den Leiter des Trans-Ocean-Stützpunktes hier. Er versorgt uns mit guten Tips und wir verbringen einen schönen Abend zusammen.
Für uns folgt dann eine weitere Nachtfahrt: gut 120 sm sind es bis nach Morro Bay. Wieder wird es ein angenehmer Törn mit überwiegend gutem Wind, außerdem sehen wir mehrfach Wale und Delfine.

Morro Bay hat eine von Molen geschützte Einfahrt und bietet dann hinter der Nehrung ein großes Mooringfeld, wobei die meisten Anlegebojen privat sind. Es gibt dadurch nur wenig Platz zum Ankern in der Lagune; wo keine Moorings liegen ist es hier außerhalb des freizuhaltenden Fahrwassers meist zu flach.


Wir haben aber Glück und ergattern einen der nur drei bis vier Plätze am Steg des örtlichen Yachtclubs. Der ist – wie seine Mitglieder – ausgesprochen Cruiser-freundlich, wir fühlen uns sehr willkommen. Und wir lernen von den Clubmitgliedern, dass in den USA diverse Nebelhörner so installiert sind, dass wir sie bei Bedarf mit unserem UKW-Funkgerät einschalten können. Das Ganze nennt sich MRASS (Mariner Radio Activated Sound Signal). Drückt man auf dem Boot innerhalb von 10 Sekunden fünfmal auf Kanal 83A die Sendetaste, aktiviert zum Beispiel der nächstgelegene Leuchtturm für die nächsten 45 Minuten das Nebelhorn. Hört sich erst ein bisschen nach verspätetem Aprilscherz an, ist aber wahr. Und was das A hinter dem UKW-Kanal angeht: in den USA muss das Funkgerät auf die amerikanischen Kanäle umgestellt werden, was selbst beim Furuno-Menü ausnahmsweise mal ziemlich einfach geht. Die Küstenwache wickelt nach dem Anruf auf Kanal 16 den Funkverkehr (außer in Notfällen) regelmäßig auf Kanal 22A ab, der in der europäischen Standardeinstellung nicht erreichbar ist.




Wir leihen uns Fahrräder aus, radeln erst einmal an der Lagune entlang nach Süden. Im kleinen Museum of Natural History erfahren wir einiges über die Entstehung und Entwicklung der Lagune und der Nehrung. Wir lernen, dass der an einen Turban erinnernde Felsen namensgebenden für Morro Bay war. Inzwischen hat der Vulkanschlot aber längst nicht mehr seine ursprüngliche Kegelform und Größe, weil er (obwohl Heilge Stätte der First Nation) als Steinbruch für die Molen hier und in Nachbarhäfen benutzt wurde.


Auch über die Besonderheiten der Tierwelt erfahren wir einiges und können glücklicherweise manches davon gleich live erleben. Zwar finden wir in dem uns beschriebenen Eukalyptus-Hain noch nicht die erhofften Trauben von Monarchfaltern auf ihrer Wanderung nach Mexiko. Die Migration dieser Schmetterlinge scheint gerade erst hier anzukommen, nur vereinzelte Exemplare sehen wir hoch in den Bäumen.

Aber auf der Wanderung von der Straße hinauf zu den Eukalyptusbäumen macht uns die Vogelwelt viel Freude:




dann erspähen wir Schopfwachteln …

Allen diesen drei Arten ist gemeinsam, dass sie im Wesentlichen nur in Kalifornien vorkommen. Das gilt auch für die Nuttall Dachs-Ammer, die uns etwas später direkt am Moro Felsen begegnet:

Bis auf die Antarktis kommt dagegen der Wanderfalke sogar auf allen Kontinenten vor. Trotzdem schätzen wir uns glücklich, das zwischenzeitlich in Kalifornien fast ausgestorbene schnellste Lebewesen der Erde (er erreicht im Sturzflug bis zu 320 km/h) stillsitzend vor seinem Nistplatz hoch im Felsen betrachten zu können.

Hier (wie schon bei der Aufnahme des Monarchfalters) kommt das eingebaute optische 600er Teleobjektiv der in Kanada gebraucht gekauften Sony RX10 zum Einsatz, ich bin echt begeistert von meiner neuen spiegellosen Kamera.
Am langen Surfer-Strand nördlich des Felsens stelzt dann mit dem “Long Billed Curlew” auch noch die nordamerikanische Spielart des Brachvogels am Wellensaum entlang:

Überhaupt, es ist einfach wunderschön hier!



Der Ort Morro Bay ist suuuuper entspannt und entspannend. Und die Tierwelt setzt halt noch i-Tüpfelchen drauf.
Zum Beispiel mit dem Kalifornischen Ziesel, einem tagaktiven Erdhörnchen, näher mit dem Murmeltier verwandt als zum Beispiel mit dem Eichhörnchen.

Oder – für uns immer wieder toll – durch Begegnungen mit Seeottern. Ob einen Krebs mümmelnd direkt neben unserem Boot

oder in der Mutter-Kind-Gruppe im Seetang kurz vor der Dämmerung:


Da geht uns das Herz auf.
















