Einklarieren in Ensenada

Um kurz vor vier Uhr morgens werfen wir die Leinen los. Im Dunkel schleichen wir mit Flora durch den Tonnenstrich aus San Diego hinaus. Die Tonnen des Fahrwassers sind beleuchtet, Sperrgebietstonnen und auf die Geschwindigkeitsbegrenzung hinweisende Bojen aber leider nicht. Angestrengtes Starren ins Dunkel ist angesagt. Auf Höhe von Tijuana direkt hinter der Grenze zu Mexiko strahlt Venus hell über den im ersten Dämmerlicht aufleuchtenden Wolken, dann geht über den Hügeln der Baja California die Sonne auf.

Die Überfahrt nach Ensenada gestaltet sich schön, aber fast windlos. Nur leichte thermische Winde stellen sich ein. Erst noch Landwind, mit höher steigender Sonne dann Seewind. Aber wir sind zu weit draußen, als dass wir damit viel anfangen könnten. Eine Zeitlang reicht es immerhin für etwas Geschwindkeitszuwachs beim Motorsegeln. Und so ist jedenfalls sichergestellt, dass wir wie geplant bei Tageslicht in Ensenada ankommen.

Der uns zugewiesene Hafenplatz erweist sich als grenzwertig seicht für Floras Tiefgang. Am Poller sind 6 Fuß Wassertiefe bei mittlerem Niedrigwasser angegeben, das ist etwas weniger als unsere 2 Meter. Nach Absprache mit dem Hafenmeister verholen wir an einen anderen Steg. Wir checken erst einmal nur im Hafen ein, das Einklarieren nach Mexiko folgt dann am nächsten Morgen. Die Hilfe dabei ist im Service des Hafens inbegriffen. Und die Mitarbeiter der Marina bereiten nicht nur unsere Papiere vor, sie chauffieren uns sogar herum.

Zuerst zur Bank, um 368 Pesos (entspricht etwa 20 Euro und ist abhängig von der Verdrängung des Bootes) bar einzuzahlen für die Befahrenserlaubnis / Cruising Licence. Und dann weiter zum eigentlichen Einklarieren bei Immigration und Capitaneria. Auch hier übernimmt unser Fahrer den Papierkram und die (spanische) Kommunikation. Zu zahlen sind pro Person 687 Pesos (36 Euro) für das 180 Tage gültige Touristenvisum, aber das geht bei der Immigration diesmal per Visa-Kreditkarte. Und dann gibt’s den Stempel in den Pass. Den gegenüber liegenden Zoll-Schalter können wir uns diesmal schenken, der wäre hier nur für das TIP erforderlich. Unser Temporary Import Permit aus Cancun von vor zwei Jahren ist aber noch gültig, Flora darf 10 Jahre lang immer wieder nach Mexiko einreisen.

Nach weniger als einer Stunde sind wir schon wieder zurück im Hafen. Kein Vergleich mit den vier Stunden beim Einklarieren in Isla Mujeres, was für dortige Verhältnisse schon rasend schnell waren. Dankeschön.

Die Marina heißt nicht ohne Grund “Cruiseport Marina”. Der Blick aus Floras Cockpit zeigt heute die “Carnival Miracle”. Mit über 290 Metern Länge kein allzu kleines Wunder, aber mit “nur” etwas über 2.000 Passagieren auch keins der ganz großen Kreuzfahrtschiffe.

Etwas lästig ist, das sowohl die Miracle als auch der Frachter am Containerterminal dahinter für ihre Stromversorgung durchgängig die Maschine laufen lassen müssen und damit die Luft bei uns im Hafen (jedenfalls bei dieser Wetterlage) spürbar belasten.

Da machen wir uns lieber noch mal zu Fuß auf in die Stadt, erkunden die Umgebung und staunen im gar nicht mal so großen Supermarkt über das reichhaltige Angebot an verschiedenen Paprika und Chili 🌶️.

Wir sind in Mexiko 🇲🇽 🤗.

Ketchikan und der Lachs in Alaska

Es ist soweit. Nach ungefähr zwei Monaten in Alaska laufen wir Ketchikan an, die südlichste Stadt in Alaska und damit der Ort, in dem wir aus den USA ausklarieren werden.

Ketchikan leitet sich her von Kichxáan oder auch Keech Ka Xa haan, dem ursprünglichen Namen des Ortes in Tlingit-Sprache, es bedeutet etwa “Flügel ausgebreitet darüber“.

Die monumentale Zedernholz-Schnitzerei “Thundering Wings” erinnert an die Herkunft des Ortsnamens.

Heute breitet sich eher der Kreuzfahrt-Tourismus über dem Ort aus als die Adlerflügel, drei größere Kreuzfahrtschiffe liegen gleichzeitig am Kai und die Zahl ihrer Passagiere reicht wohl an die der 8.000 Einwohner heran.

Das führt neben unzähligen “Jewelry“-Geschäften und Souvenirshops auch zu einer lebendigen Café-, Restaurant- und Kneipenlandschaft in dem Städtchen. Und es hat auch dazu bewirkt, dass diverse historische Häuser im alten Stadtkern erhalten und – je nach Lage – mehr oder weniger restauriert wurden, so wie hier im ehemaligen Rotlichtviertel mit seinen Boardwalks über dem Wasser …

oder etwas weniger zentral gelegen entlang der Promenade und den Hang hinauf:

Und natürlich machen es auch erst die vielen Touristen möglich, mehrere Museen zu unterhalten, wie etwa das sehr sehenswerte Totem Heritage Center, in dem anschaulich der kulturelle Hintergrund dieser für Alaskas Ureinwohner so ikonischen geschnitzten Pfähle und auch das strukturell sehr unterschiedliche Design der Totems in den verschiedenen Regionen erklärt wird.

Gleich neben dem Totem Heritage Center befindet sich die Deer Mountain Hatchery. Eine schöne Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Grüßt vor dem Eingang des Heritage Center doch ein Totem, das “Raven and Fog Woman” darstellt und an die Legende erinnert, wie der für die Ureinwohner und auch die Entwicklung Alaskas so wichtige Lachs in die Welt kam. Die Hatchery (eine von 29 in Alaska) ist eine Art Geburtsklinik und Kindergarten für (Wild-)Lachse. Anders als in Lachsfarmen wird hier nicht der Fisch für kommerzielle Zwecke gezüchtet, sondern ein Teil der Eier der lokalen Lachspopulation werden für die kritische erste Lebensphase in einem geschützten Habitat aufgezogen und dann in die Freiheit entlassen. Die erwachsenen Lachse kehren dann zum Laichen aus dem Meer den Fluss hinauf zur Hatchery zurück und sorgen für Nachschub.

Mitte der 70er Jahre wurden die ersten Hatcheries eingerichtet, seit 2010 machen die erwachsenen Lachse aus diesen Aufzuchtstationen zwischen 30 und knapp 50 Prozent der alaskaweit gefangenen Wildlachse aus.

Lachsfarmen sind in Alaska verboten 🚫.

Wenn man es nicht selbst erlebt hat, kann man sich die schiere Menge der Wildlachse in den Flüssen und Bächen Alaskas nicht vorstellen. Ohne Superlative geht’s ja in Amerika nicht: Ketchikan nennt sich selbst nicht nur “Alaska’s 1st City” (weil von Süden kommend erste Stadt), sondern auch “Salmon Capital of the World”.

Und jetzt zur Wanderzeit der Lachse sieht der Ketchikan Creek so aus:

Das ist eine etwas ruhigere, flussaufwärts gelegene Stelle, an der sich die Lachse für die weitere Reise ausruhen. Warum? Um hierher zu gelangen, müssen die Lachse erst einmal die Stromschnellen überwinden. Nicht ganz einfach:

Das irgendwie romantische Bild der Lachse bekommt aber einen ziemlichen Dämpfer, wenn man sich die Lachse kurz vor ihrem Ziel ansieht, den Laichgründen auf den zumeist höher gelegenen Kieselsteinbetten der Flüsse.

Die anstrengende Reise hat Spuren hinterlassen, die Fische wirken ziemlich ramponiert. Außerdem hat die Natur für die pazifischen Lachse (anders als die atlantischen) vorgesehen, dass sie diese Reise nur einmal antreten. Sobald sie das Salzwasser verlassen und die Flüsse hinaufziehen, hören sie auf zu fressen. Ihr Körper verändert sich massiv, wechselt die Farbe. Die vormals silbrigen Fische bekommen teils grünliche Köpfe und teils leuchtend rote oder Flanken (Sockeye und Coho), werden oliv (King/Chinook und Chum/Keta) oder stumpf grau mit cremefarbenem Bauch (Pink Salmon/Humpy). Der Kopf verändert die Form, das Maul bekommt einen verbogenen Oberkiefer mit Überbiss und herausstehenden Zähnen. Die Humpy-Männchen entwickeln zudem den namensgebenden auffälligen Buckel. Selbst die Schuppen werden zurückgebildet und weichen einer eher ledrigen Haut, der Lachs verzehrt sich buchstäblich selbst. Und nach Eiablage bzw. Besamung stirbt er. Alles in allem sehen die Lachse aus der Nähe betrachtet in diesem letzten Abschnitt ihres Lebens schon ein bisschen wie Fisch-Zombies aus:

Hier ein kurzes Video dazu, aufgenommen mit der GoPro in einem Bach direkt an unserem Hafen. Gefangen werden die Lachse in diesem Stadium nicht mehr (außer von den Bären), Geschmack und Textur des Fleisches haben sich nämlich auch verändert. Die leckeren Lachsfilets stammen also nicht von den “Zombies”.

😉