Santa Barbara: ein bisschen Bürokratie, eine wunderschöne Stadt, Ausflug nach L.A. und ein Kanu

Wir ankern vor Santa Barbara. Erstmal. Die Nacht ist dann etwas unruhig, die nächsten Tage soll die See noch bewegter sein, der nationale Wetterdienst hat sogar eine „Small Craft Advisory“ herausgegeben. Die Wind- und Wellenwarnung ist zwar nicht dramatisch, aber unangenehm würde es am Ankerplatz wohl schon werden. Deshalb möchten wir in den Hafen gleich nebenan verholen. Über Funk und Telefon bekommen wir allerdings jeweils Absagen: kein Platz, vielleicht später noch mal probieren. Also erkunden wir erst einmal zu Fuß die Stadt, sie gefällt uns auf Anhieb richtig gut.

Auf dem Rückweg gehen wir beim Hafenmeister vorbei, schildern die Situation. Die Antwort ist gleich: kein Platz. Aaaaber: als wir ins Spiel bringen, dass wir auch ins Päckchen gehen würden (was in Nordamerika nicht so üblich ist wie in Deutschland oder Dänemark) fällt dem Hafenmeister ein, dass ja die Small Kraft Advisory im Raum steht und der Hafen ein „Safe Harbor“ (also ein Schutzhafen) ist. Er weist uns einen Platz an einer (der vier!) Absaugstationen des Hafens zu. Zuerst sollen wir aber am Ankunftspier anlegen und mit unseren Papieren ins Büro kommen. Machen wir prompt. In der Zwischenzeit hat er dann doch eine Box für unser Schiff gefunden. Wir berichten Heather und Jim auf der draußen vor Anker liegenden „Kavenga“ davon, die darauf hin auch herein an die Ankunftspier kommen und für die der Hafenmeister nach Hinweis auf die Small Craft Advisory ebenfalls eine Box findet.

Mit dem Anlegen an der Ankunftspier hat es in Santa Barbara übrigens eine besondere Bewandtnis. Bei allen Booten mit WC an Bord kommt nämlich ein Offizieller an die Pier und platziert eine Färbe-Tablette im WC. So soll verhindert werden, dass heimlich (und illegal) die Fäkalien in das Hafenbecken entleert werden. Eigentlich gut, nur wären die Bemühungen zum Umweltschutz deutlich überzeugender, wenn die Bohrinseln vor der Küste nicht dafür sorgen würden, dass wir auf der Anfahrt zum Hafen mehrfach durch riesige, stinkende Ölteppiche fahren müssen. Beim ersten Mal haste ich ins Boot, reiße die Tür zum Motorraum auf. Aber nein, der Gestank kommt von draußen und wir fahren durch regenbogenfarbig schillernde Lachen auf dem Wasser. Ob die aktiven Bohrinseln wirklich die Verursacher sind, können wir nicht mit Sicherheit sagen, die Seekarte weist an diesen Stellen auch mehrere „Sub Surface Well ; Heads Covered“ aus, also abgedeckte ehemalige Quellen.

Die Stadt Santa Barbara allerdings nimmt uns sofort für sich ein. Palmenalleen am Strand entlang, dann wunderschöne Gebäude den gemächlich ansteigenden Hang hinauf bis die Berge dann mit Steilhängen in die Höhe zu schießen scheinen.

Sehr schön lässt das vom Uhrenturm des Gerichtsgebäudes aus anschauen, wobei man in der Ferne auch die Bohrinseln ausmachen kann:

Das Gerichtsgebäude ist aber auch sonst einen Besuch wert. Obwohl es in Betrieb ist (während unseres Besuchs fanden auch Verhandlungen statt, wenn auch nicht im Mural-Gerichtssaal) kann es kostenfrei besichtigt werden.

Und die Stadt: einfach WOW!!!

Vor allem in der zentralen Fußgängerzone, aber nicht nur dort, stehen bunt bemalte Klaviere. Sie werden genutzt. Manchmal klimpern Kinder, häufig aber setzt sich für kurze Zeit ein Passant ans Klavier und lässt die vorbei Spazierenden meist erfreut aufhorchen. Auch Wiebke gibt ein kurzes – längst verschollen geglaubtes – Musikstück aus ihrer Jugend-Klavierlern-Phase zum Besten. Klappt.

Im gesamten Innenstadtbereich finden sich alte Gebäude im Adobe-Stil, aber auch viele neuere Bauten, die Optik dieses Lehmziegelstiles aufnehmen, manchmal auch neu interpretieren.

Wir sind begeistert. Was wir aber leider nicht finden: der örtliche REI (Outdoor-Spezialist) hat leider das aufblasbare Doppelkanu nicht vorrätig, mit dem wir schon einige Zeit liebäugeln. Der Versand hierher würde zu lange dauern.

Wenn das Kanu nicht zu uns kommt, wie kommen wir zu ihm? Wiebke googelt, der REI in Burbank bei Los Angeles hat noch eins. Wir sichern es uns telefonisch und mieten ein Auto. Der nächste Landausflug steht also fest.

In Burbank holen wir das Kanu ab, und wo wir schon in der Nähe sind, reicht es auch für Hollywood und einen Blick auf L.A.

Die Rückfahrt über führt dann über Beverly Hills, das letzte Stück der Route 66 nach Santa Monica ans Meer und dann wieder auf dem Highway 1 am Pazifik entlang nach Santa Barbara. Eine Teilstrecke geht es auf dem “El Camino Real” (dem Königsweg), der die spanischen Missionsstationen zwischen Santa Bruno auf der Baja California und dann San Diego und San Francisco verbindet. 21 Missionen waren es ursprünglich, jeweils etwa 50 km bzw. einen Tagesritt voneinander entfernt. Mit diesen verleibten die Spanier ab 1684 nach und nach diese Region ihrem damaligen Weltreich ein. Geblieben sind die spanischen Namen der katholischen Heiligen, nach denen die Missionen benannt wurden. Oft sind es noch heute die Namen der Städte, deren Keimzelle die entsprechende Mission bildete. So wie in San Diego, in San Francisco und eben auch in Santa Barbara.

Heute machen wir – neben einem weiteren langen Gang durch die wunderschöne Stadt – auch gleich eine kleine Probefahrt mit unserem neuen Zweit-Dinghy, dass sich dann auch besser den Strand hinauf tragen lässt. Das Paddeln klappt ganz gut und macht uns richtig Spaß.

Spagat

In den letzten Tagen haben wir wenn überhaupt meist schlechten Internetzugang hier. Trotzdem bekommen wir ab und zu Nachrichten mit, die Bestürzung, Fassungs- und Hilflosigkeit angesichts des Krieges in der Ukraine erfasst uns auch auf der Flora. Wir versuchen uns auf dem Laufenden zu halten und auch die wenigen möglichen Gespräche mit Familie und Freunden in Deutschland drehen sich um dieses Thema, es geht uns nahe.

Und doch scheint es hier unter Palmen im Sonnenschein auch manchmal absurd fern. Ausgerechnet am Tag des russischen Angriffs (da wissen wir noch nichts davon) haben wir uns bei Ibin auf Banedup in den Eastern Holandes Cays zum Lobsteressen am Strand angemeldet.

Die Insel wird von Ibins Familie bewirtschaftet, vier Brüder und zwei Schwestern leben umschichtig auf der Insel, kümmern sich um die Kokospalmen und Bananen. Es gibt noch weitere Geschwister, aber die haben sich entschieden nicht mitzuarbeiten, dürfen daher aber auch nicht auf diese Inseln. Auf anderen Inseln werden von der Familie auch noch weitere Früchte und Gemüse angebaut. Ibin lebt, wenn er nicht hier ist, mit seiner Familie in Panama City, hat dort ein Haus. Er ist gelernter Koch und möchte gern auf Banedup ein kleines einfaches Restaurant Strand aufbauen. Er arbeitet daran, kleine Einraumgebäude für eine einfache Küche, ein Bad und eine Kuna-Showküche aufzubauen.

Er bietet aber gleichzeitig schon auf einfach gezimmerten Tischen sein Lobstermenü an.

Tagsüber liegen noch fünf Boote in der Bucht südlich von Banedup und ein paar weitere im nördlich gelegenen “Swimmingpool” zwischen Banedup und dem Außenriff, auf dem sich die Brandung ziemlich heftig bricht.

Abends sind wir aber in der Bucht nur noch drei Boote und Wiebke und ich sind die einzigen Gäste bei Ibin. Trotzdem wird am Strand ein Lagerfeuer mit Palmenstämmen errichtet, von Ibin angefacht mit trockenen Palmwedeln.

Das Essen ist übrigens große Klasse, nach der Tintenfisch-Ceviche als Vorspeise gibt es gegrillten Lobster mit Kokos-Reis und einer Gemüsepfanne aus geschmorten Auberginen, Tomaten und Rotkohl. Und die Atmosphäre, barfuß im Sand … Unser mitgebrachter Wein kann da leider nicht ganz mithalten.

Auch hier kommen wieder Kanus vorbei, bieten Bananen, Lobster, Brötchen an. Wir werden gefragt, ob wir Wasser abgeben können. Klar, unser Wassermacher funktioniert hier im klaren Salzwasser wunderbar und Sonne und Wind versorgen uns mit reichlich Strom für seinen Betrieb. Also füllen wir gerne den im Einbaum mitgebrachten großen Kanister.

Und wir kaufen der Kunafamilie auch noch ein paar der Perlenbänder ab, die als traditioneller Schmuck um Unterarme und Waden getragen werden. Sie werden gleich vor Ort mit einer speziellen Wickel- und Schnürtechnik angebracht.

Es gefällt uns so gut an diesem geschützten Ankerplatz, dass wir auch hier wieder ein paar Tage bleiben. Aber dann gehts doch weiter, vorbei an diversen kleinen Inseln, die uns aber bei den jetzigen Bedingungen wenig Schutz bieten würden.

Wir entscheiden uns, wieder in die “zweite Reihe” näher am Festland zu gehen und segeln nach Nabadup.

Ein ganz interessantes Phänomen: der bekanntere Ankerplatz an der Nachbarinsel Morbedup (Canbombia) ist mit 10 Booten gefüllt, nur eine Ecke weiter liegen wir ebensogut geschützt ganz allein.

Und wir werden trotzdem begrüßt, mangels anderer Boote übernimmt das beim Paddeln zur Insel ein Adlerrochen, der im seichten Wasser Kreise um unsere SUPs zieht.

Aber obwohl wir näher am Festland sind und zudem unseren Router in den Mast ziehen, der Mobiltelefonempfang bleibt dürftig, die Gespräche mit Deutschland abgehackt und Webseiten können wir nur mit großer Geduld und vielen Abbrüchen aufrufen. Warum tun wir uns das an, warum genießen wir nicht einfach das Jetzt und Hier in den San Blas?

Das versuchen wir auch, ab und zu gelingt der Spagat sogar. Aber die Augen verschließen vor dem Wahnsinn, der räumlich jetzt für uns so weit weg scheint und uns doch so nahe ist, das können und wollen wir auch nicht. Für die Kuna hier ist der Krieg in der Ukraine (der ja eigentlich schon seit 2014 geführt wird und jetzt mit dem russischen Angriff auf die anderen ukrainischen Landesteile ausgeweitet wurde) tatsächlich so weit weg, wie für uns die meisten anderen derzeitigen Kriege in der Welt. Ja, wir wissen von den Kriegen etwa im Jemen, in Mali, im Südsudan und in Syrien. Und doch ist es (für uns) anders, wenn jetzt wieder ein Angriffskrieg in Europa geführt wird, obwohl wir das doch überwunden geglaubt hatten.

Weiter westlich sollte der Empfang besser werden, dort gibt es am Festland einen kleinen Ort. Wir verholen zur vorgelagerten Insel Salardup. Dort haben wir (wenn auch immer noch nur mit in den Mast gezogenem Router) jetzt wieder vernünftigen Internetempfang, können wieder Nachrichten aufrufen (und diesen Blog schreiben).

Kaum zu glauben, wir sind schon zwei Wochen in Guna Yala. Das heißt, unsere Zeit in San Blas nähert ich schon dem Ende, denn am 2. März möchten wir wieder in der Shelter Bay Marina bei Colón sein und uns auf die Kanalpassage vorbereiten.

Und dann geht es in den Pazifik. Noch weiter weg von Europa. Und doch in Gedanken auch immer wieder dort.

Fremdsegeln in den Lemon Cays. Was Einbäume so alles können!

Einbaum-Kanus sind uns hier in Panama bisher häufig begegnet. Schon bei der Einfahrt nach Bocas del Toro hatten wir Fischer in diesen traditionellen Booten gesehen, an den Ankerplätzen dort gehörten sie zum vertrauten Bild. Gelegentlich kam einer zur Flora, bot z.B. selbstgefangene Krebse an.

Hier in Guna Yala scheinen die langen, schlanken und tatsächlich aus einem ausgehöhlten Baum gefertigten Kanus sogar noch häufiger zu sein. Ganze Kuna-Familien sind in ihnen unterwegs. Schon mehrfach kam ein Kanu angepaddelt und wir wurden gebeten, ob wir die Handys der Insassen laden könnten. Machen wir natürlich gerne, Solar und Wind geben uns reichlich Strom und der ist auf diesen kleinen Inseln hier echte Mangelware, Solarpanele oder gar Windgeneratoren können sich die Kuna zumeist schlicht nicht leisten.

Die Einbäume werden in der Regel mit aus Brettern geschnittenen, manchmal mit Schnitzereien verzierten Paddeln bewegt, in Flachwasserbereichen mit einer ebenfalls hölzernen Stange gestakt. Und wenn der Wind es zulässt, werden sie auch gesegelt.

Zumeist wird ein kleines Vorsegel und ein deutlich größeres Sprietsegel am unverstagten, Mast gefahren, der einfach durch ein Loch in ein eingeklemmtes Brett gesteckt wird. Gesteuert wird mit einem nur von Hand gegen die Bordwand gedrückten Paddel. Beeindruckend, dass das mit den schmalen kippeligen und bauartbedingt fast kiellosen Kanus überhaupt möglich ist.

Wir haben den Liegeplatz gewechselt, ein paar Meilen weiter in die Lemon Cays verholt. Ein Wirrwarr kleiner palmenbestandener Inselchen mit Riffen drumherum und dazwischen. Als wir uns auf Nuinudup (Dup heißt Insel auf Kuna) die Beine vertreten, kommt Justino mit seinem Sohn Fredi mit dem von Justino selbstgebauten Ulu (=Kanu auf Kuna) angepaddelt. Die beiden laden gerade ihre Handys auf der Flora. Justino fragt auf spanisch „Ein bisschen Spielen?“ und baut bei den etwa zwanzig Knoten Wind den Mast auf. Und er zeigt uns stolz sein buntes Segel, dass ihm ein amerikanischer Freund geschenkt hat „Ulu Sail Project“ und der Name der Sponsoryacht sind mit Edding darauf vermerkt.

Und schon sausen sie los, einmal quer über den Ankerplatz hinüber nach Banedup und wieder zurück.

Wir scherzen noch, dass Wiebkes Outfit gut zum Segel passt, da kommt auch schon die Frage, ob wir mal mitsegeln wollen? Na klar. Einzeln, ok. Und los gehts, für mich als Passagier zumindest bei Wende oder Halse mehr liegend als sitzend aber immer mit tollem Blick auf die Action:

Bei dem Wind ist das Ulu sportlich unterwegs. Und Justino ist sozusagen gleichzeitig das lebendige Want (das den Mast seitlich stützt und aufrecht hält) und zugleich das Ausreitgewicht, das für die Balance des Kanus sorgt. Fredi steuert und bedient gelegentlich die Großschot. Beide haben sichtlich Spaß.

Den habe ich auch. Und nach mir Wiebke 😁.

Was für eine Gaudi. Und ja, selbstverständlich bekommen die beiden von uns später einige Dollar für dieses Spektakel zugesteckt. Sie können es gut gebrauchen, ebenso wie ein paar unserer ausgetauschten und als Ersatz immer noch mitgeführten Leinen, Stifte und Papier. Für die Kuna auf den kleinen Inseln ist eigentlich alles knapp.

Was für ein Tag.

Pura Vida.